Dankrede

Euer Exzellenz, sehr geehrter Herr Botschafter!
Meine Damen und Herren!

Erlauben Sie mir zunächst, dass ich mich bei der Republik Ungarn und ihren Repräsentanten für die hohe Würdigung meiner Tätigkeit bedanke. Es ist für mich eine große Ehre. Ich habe in meinen Erinnerungen nachgeforscht und festgestellt, dass mir bei der Matura die einzige Auszeichnung von meinem Heimatland zuteil geworden ist. Über die ungarische Auszeichnung freue ich mich jedoch auch und vor allem aus anderen Gründen.

Zuerst möchte ich erwähnen, warum ich mich vor vielen Jahren - noch zu Zeiten des alten Regimes - entschieden habe, mich mit der Problematik des ungarischen politischen Denkens zu befassen und Kontakte zu Vertretern der ungarischen intellektuellen Elite aufzunehmen.

Nach dem Zerfall der Österreichisch-Ungarischen Monarchie war in Mitteleuropa eine Art Niemandsland entstanden. Ein Revier kleiner Staaten, welche als gemeinsamen Nenner lediglich die wechselseitigen Probleme hatten, die sie untereinander nicht allein lösen konnten. Ihre Beziehungen waren miserabel. Deshalb suchten sie Hilfe bei den benachbarten Großmächten, die ihre imperialistischen und nicht ganz sauberen Interessen hatten und in denen sich unmenschliche totalitäre Regimes durchgesetzt hatten. Aus diesem Grund wurde die gesamte Region zunächst Beute der einen und dann der anderen Großmacht. Die kleinen mitteleuropäischen Völker haben dafür einen grausam hohen Preis bezahlt. Das ist ein Beweis dessen, was für ein politisch destruktives Gefühl der Hass ist - beziehungsweise ein Beleg dessen, dass der Sinn der Außenpolitik auch - wenn nicht gar in erster Linie - im Abbau des Hasses besteht.

Weil es mir nach beträchtlichen Anstrengungen gelang, die Sprachbarriere - wenn auch nicht vollkommen - zu überwinden, lernte ich die Vertreter der ungarischen intellektuellen Elite kennen: Das Vermächtnis der bereits verstorbenen und auch die lebenden, die an das Werk ihrer Vorgänger anknüpften. Ihre Sympathiebekundungen überraschten mich, war doch gerade Ungarn in den Jahren neunzehnhundertachtzehn bis neunzehnhundertneunundachtzig stark benachteiligt worden, woran die tschechische Politik einen beachtlichen Anteil hatte.

Zugleich brachte mich das Entgegenkommen der ungarischen Kollegen zur Erkenntnis, dass es zur lückenlosen Verständigung und Zusammenarbeit vor allem notwendig ist, dass jeder die eigenen Fehler und das von ihm begangene Unrecht genau benennt. Schließlich hat in Mitteleuropa jeder jedem Leid angetan. Dort, wo es möglich ist, sollte zudem jeder im Rahmen des Möglichen versuchen, die Folgen dieses Unrechts zu mildern. Jeder sollte damit bei sich selbst beginnen, sonst endet der ganze Prozess in unfruchtbaren gegenseitigen Vorwürfen. Dieser wechselseitige Ausgleich ist eine Grundvoraussetzung für die Schaffung einer Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens und einer wirklichen, fest verankerten Zusammenarbeit - unter anderem auch in Sachen des gemeinsamen Schutzes der Region, in der es uns gegeben ist, zu leben und zu arbeiten. Sicher, die Europäische Union und die NATO bilden unsere Sicherheitsgarantien, doch unsere aus der Vergangenheit herrührenden wechselseitigen Probleme lösen sie nicht. Davon haben wir uns oftmals überzeugt. Hier gilt der Grundsatz: Mitteleuropäer, hilf dir selbst, und die EU und die NATO werden dir helfen.

Bohumil Doležal

Übersetzung Sylvia Janovská