Polemik mit einer Persönlichkeit

Mit einer Persönlichkeit zu polemisieren, ist ein Problem. Eine Persönlichkeit ist nämlich unter anderem mit einer Macht ausgestattet, die es ihr ermöglicht, ihre Polemiken in gedruckten Zeitungen zu annoncieren, obwohl sie sich auf Internetseiten beziehen, die wesentlich weniger öffentlichkeitswirksam sind als Presseerzeugnisse. Zudem ist eine Persönlichkeit bei ihrer Internetpolemik nicht verpflichtet, auf den Text (Link) zu verweisen, mit dem sie polemisiert, wie das gewöhnliche Leute tun. Die Persönlichkeit, von der ich spreche, ist Herr Luboš Palata, seines Titels nach „Mitteleuropäer“. Sein Text nennt sich zwar „Warum die Ungarn Orban und Jobbik gewählt haben“, betrifft jedoch im Kern der Sache nicht das, wovon im Titel die Rede ist, sondern meine Kleinigkeit. Genauer gesagt, er bezieht sich auf das, was ich über die Ansichten des Herrn Palata in der samstäglichen Rubrik „Co týden dal“ (Was die Woche gebracht hat – Samstag, 24. April) meiner Internetseiten Ereignisse geschrieben habe.

Was meiner Meinung nach aber sogar eine Persönlichkeit nicht tun sollte, ist eine zweckdienliche Verzerrung der Ansichten desjenigen, mit dem sie polemisiert. Und zudem auf eine Weise, um ihn der Öffentlichkeit im schlechtesten Licht bei Themen zu zeigen, die in Tschechien nicht zu Unrecht als heikel gelten. Böse Menschen sagen dazu Denunziation. (Das ist auch der Grund, warum ich Herrn Palata wirklich nicht gern habe).

Herrn Palata zufolge bin ich nämlich angeblich der Meinung, dass die Tschechen das furchtbarste Volk in Europa sind, die Vertreibung der Deutschen für das Kainsmal der tschechischen Nation halte und Ungarn und die Ungarn völlig unkritisch bewundere.

Ich möchte in einigen Zeilen meine Ansichten zu der erwähnten Problematik zusammenfassen, zu der ich mich in den zwanzig Jahren meiner publizistischen Tätigkeit mindestens hundertmal geäußert habe: Die mitteleuropäischen Völker werden nicht in „gute“ und „schlechte“ geteilt. Im Prinzip sind die einen 18 und die anderen 20 minus 2 wert. Und in der jüngeren Vergangenheit haben sie sich häufig zueinander wie Hornochsen verhalten. Mit den Völkern ist es wie mit Einzelpersonen. Wir alle sind Sünder. In dieser Beziehung unterscheiden wir uns nicht von einander. Gewisse Unterschiede gibt es in der Hinsicht, dass einige von uns fähig sind, ihre Sünden einzusehen, sie zu benennen und zu bedauern (die Deutschen machen das beispielsweise schon über ein halbes Jahrhundert). Andere schauen nur, wie sie sich aus ihren Sünden herauswinden können (z. B.: Schweinereien, wie die von uns verübte, haben damals alle begangen und verantwortlich ist dafür ein anderer, nämlich Hitler). Selbstverständlich gibt es keine „Kainsmale“, die nicht beseitigt werden könnten, aber der Mensch muss sich ein bisschen bemühen. Worum es geht, das ist der dauerhafte Frieden und die Zusammenarbeit in unserer Region. Dazu kann nur die Bereinigung der aus der Vergangenheit herrührenden offenen Wunden führen. Und es wäre von größtem Nutzen, wenn jeder bei sich selbst beginnen würde (obwohl wir alle gesündigt haben) und nicht die aus der Zeit des Totalitarismus bekannte Methode „und ihr lyncht wieder die Schwarzen“ wählt. Eine höhere Priorität hat nämlich das Gebot: „Aber was siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, doch den Balken in deinem Auge nimmst du nicht wahr? Oder wie wirst du zu deinem Bruder sagen: ‚Lass mich den Splitter aus deinem Auge hinauswerfen’ und siehe da, der Balken ist in deinem Auge? Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, und dann wirst du klar sehen, um den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen.“ (Evangelium nach Matthäus 7,3)

Ich betrachte es als wesentlich, dass wir uns dementsprechend verhalten – offensichtlich im Unterschied zu Herrn Palata.

Online-Ausgabe der Tageszeitung „Lidové noviny“,lidovky.cz, 26. April 2010
Übersetzung Sylvia Janovská