Ist Kinsky der Familiengruft würdig?

In Argentinien ist am 2. April František Oldřich Kinský (deutsch: Franz Ulrich Kinsky) verstorben, der mit dem tschechischen Staat zahlreiche Vermögensrechtsstreite führte. Vor seinem Tod äußerte der aus einem böhmischen Adelsgeschlecht stammende Kinsky den Wunsch, in der Familiengruft in der Gemeinde Jarpice unweit von Prag bestattet zu werden.

Und hier liegt das Problem: Die Grabstätte gehört dem Staat. Vor Jahren prozessierte Kinsky wegen der Krypta, hatte im Unterschied zur glücklicheren Elisabeth von Pezold, geb. Schwarzenberg (in deren Fall das tschechische Verfassungsgericht letztlich zur Schlussfolgerung gelangte, dass aus humanen Gründen Grabstätten nicht gestohlen, besser gesagt, konfisziert werden sollten) aber Pech und verlor den Rechtsstreit. Der Staat bot dem Aristokraten nachfolgend großzügig an, er könne die Gruft von ihm abkaufen: Auf ähnliche Weise wurde den Deutschen, deren Ausweisung nicht gelang, weil ohne sie zahlreiche Fabriken im tschechischen Grenzgebiet nicht funktioniert hätten, dann gnädigerweise erlaubt, ihre konfiszierten Katen auszuzahlen.

Der durch das Amt für die Vertretung des Staates in Vermögensangelegenheiten vertretene Staat lehnte es ab, dem Familienfreund der Kinskys, Girolamo Giormani, die Schlüssel der Krypta auszuhändigen. Angeblich hat der zuständige Beamte dabei die Möglichkeit der Beisetzung nicht ausgeschlossen, bedingte sie aber damit, dass er zuvor die Grabstätte auf- und nach Beendigung der Trauerfeier wieder abschließt. Die Gruft liegt außerhalb der Gemeinde und ist ein beliebter Ausflugsort für Einbrecher und Vandalen. Die Behörde teilte schließlich mit, sie sei bereit, über die Möglichkeit der Bestattung Kinskys „zu verhandeln“, aber lediglich mit den Hinterbliebenen oder deren - mit einer Vollmacht ausgestatteten - Anwalt.

Der Fall ist typisch: Die Familiengrabstätte der Kinskys gehört heute genauso wie der Prager Veitsdom und der internationale Flughafen im Prager Stadtteil Ruzyně dem ganzen Volk, d. h. dem Staat. Unklar ist jedoch, was das ganze Volk mit ihr machen wird. Andererseits ist so etwas wie eine Antwort auf diese Frage via facti bereits gefallen – Diebe und Vandalen sind zwar ein unwürdiges, doch immerhin ein Teil des ganzen Volkes, und davon, was mit der Krypta zu machen ist, haben sie verhältnismäßig klare Vorstellungen. Um diese vogelfrei verwirklichen zu können, ist es freilich notwendig, die Grabstätte zu schützen – vor den Kinskys.

Angeblich könnte die Aushändigung der Gruft einen Durchbruch der Beneš-Dekrete darstellen (was etwas Ähnliches ist wie der Bruch einer Hochgebirgstalsperre in einem amerikanischen Katastrophenfilm). Dabei hatte Kinsky die tschechische Nationalität. Er war im Jahr 1945 neun Jahre alt und lebte mit seiner Mutter seit Kriegsbeginn in Argentinien und war rechtmäßiger Besitzer der Krypta, die er auf dem Prozessweg erlangen wollte. Sein Vater war im Dezember 1938 gestorben. Das Vermögen versuchte Franz Ulrich Kinsky nicht mittels Restitution zurückzuerlangen, sondern durch eine Feststellungsklage. Mit dieser Vorgehensweise hat er die Problematik der Beneš-Dekrete nicht thematisiert.

Es ist erstaunlich, welch widerwärtige und zugleich lächerliche Konsequenzen die unmenschlichen Maßnahmen (in diesem Fall die Konfiskation des Vermögens) aus der Zeit vor 65 Jahren noch heute haben. Es kommt ein Angestellter, schließt die Tür auf, ein mit einer Vollmacht ausgestatteter Anwalt setzt die Urne mit der Asche des Verstorbenen in der Krypta bei. Dann verlassen beide die Gruft, der Angestellte schließt sie zu, und in die um einen mobilen Gegenstand bereicherte nationale Gedenkstätte wird lediglich wieder das ganze Volk Zutritt haben – in diesem Fall vertreten durch Vandale und Einbrecher. Ist das nicht ein bisschen symbolisch?

Internetausgabe der Tageszeitung „Lidove noviny“ - lidovky.cz 8. April 2009
Übersetzung Sylvia Janovská