Versöhnung 95

Im Jahre 1995 gedenken wir des 50. Jehrestages des Endes des Zweiten Weltkrieges. Dieses Jahr wurde gleichzeitig von den Vereinten Nationen als "Jahr der Toleranz" verkündet, das Jahr des Kampfes gegen Haß, Intoleranz und gewalttätige Gruppenkonflikte. Wir möchten durch die nachfolgende Initiative zur Erfüllung dieser Zielsetzung beitragen.

Vor einem halben Jahrhundert ordnete die damalige tschechoslowakische Regierung die Vertreibung von mehr als drei Millionen Deutschen aus den böhmischen Ländern und der Slowakei unter Zustimmung der Mehrheit der tschechischen Bevölkerung sowie mit Billigung der Siegermächte an. Sieben Jahre vorher wurde das Land durch das der Tschechoslowakischen Republik aufgezwungene Münchener Diktat der Großmächte zerteilt, was zur Wehrlosmachung des Staates und schließlich zum Verlust seiner Freiheit führte. Die Mehrheit der Sudetendeutschen begrüßte und unterstützte diese Politik der Teilung. Zwanzig Jahre zuvor wurden diese Sudetendeutschen gleichfalls unter Zwang dem tschechoslowakischen Nationalstaat einverleibt. Und noch vorher unter der Österreichisch-Ungarischen Monarchie scheiterten alle tschechisch-deutschen Ausgleichsversuche im Rahmen der böhmischen Länder.

Das alles ist zwar schon Geschichte, aber nicht bloß Geschichte: zur Geschichte werden diese Ereignisse erst dann, wenn die beiden Parteien, die Tschechen und die Sudetendeutschen, einen gemeinsamen Schlußpunkt gesetzt haben.

In einer nahezu 150-jährigen Entwicklung haben sich die Tschechen und die Deutschen der böhmischen Ländern so auseinandergelebt, daß es schließlich zur zweifachen Trennung im Bösen kam - 1938 und 1945. Die offensichtlichen Folgen dieser vergangenen Entscheidungen vergiften die Atmosphäre in Mitteleuropa und beeinflussen die tschechisch -deutschen Beziehungen in ungünstiger Weise. Es ist notwendig, daß Tschechen und Sudetendeutsche gemeinsam den guten Willen finden und sich die Hand zur Versöhnung und zur Bereitschaft zur Zusammenarbeit im Geiste des deutsch-tschechischen Vertrags über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit reichen.

Wir schlagen deshalb vor, unverzüglich Verhandlungen zwischen der tschechischen Regierung und der politischen Repräsentation der Sudetendeutschen zu eröffnen. Inhalt dieser Verhandlungen sollten alle Fragen sein, die zumindest eine der Seiten für noch offen hält. Für unerläßlich halten wir insbesondere die Formulierung eines gemeinsamen Standpunktes zur Problematik der Entscheidungen der Vergangenheit, der sich auf die anerkannten Normen der Menschen- und Bürgerrechte stützt. Weiter schlagen wir vor, daß sich die Verhandlungen beider politischer Repräsentationen darauf konzentrieren, ein gemeinsames Programm der Zusammenarbeit zwischen den Tschechen und den Sudetendeutschen zu entwickeln. Dieses Programm sollte die Möglichkeit der Rückkehr jener Vertriebenen einschließen, die das wünschen und zwar unter der Bedingung der Gleichberechtigung der Rückkehrer mit der übrigen Bevölkerung der Tschechischen Republik. Wir schlagen weiter vor, eine gemeinsame deutsch-tschechische Stiftung mit staatlicher Beteiligung zu schaffen, die konkrete Projekte im tschechischen Grenzgebiet unterstützen soll. Schließlich schlagen wir vor, daß Tschechen und Sudetendeutsche gemeinsam die Erweiterung und institutionelle Verankerung der bereits bestehenden grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der benachbarten Regionen der Tschechischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland unterstützen, damit sie schrittweise jene Gestalt annehmen, die in Teilen Westeuropas schon seit Jahren eine Reihe funktionierender Euroregionen haben - dies bei Respektierung der in beiden Staaten geltenden Rechtsordnung.

Bonn und Prag, den 28. März 1995

Unterschriften (CR):

Dr. Pavel Bělina, Historiker

David Binar, Redakteur

Ivan Binar, Journalist

Dr. Milan Buben, Historiker, Hochschullehrer

Luděk Bednář, Redakteur

Libor Černý, Studierender der Soziologie, Journalist

Robert Čásenský, Studierender der Soziologie, Journalist

Lubor Dohnal, Regisseur und Drehbuchautor

Bohumil Doležal, Politologe und Publizist, Hochschullehrer

Adam Drda, Journalist

Monika Elšíková, Drehbuchautorin und Publizist

Jiří Fidler, Historiker

Dr. Josef Forbelský, Hochschullehrer

Vratislav Färber, Redakteur

Miloš Fryš, Filmkritiker

Petr Havel, Historiker

Zbyněk Hejda, Hochschullehrer

PhDr. František Honzák, Publizist

RNDr. František Hodík, Atomphysiker

Miloš Hübner, evangelischer Geistige

Milan Churaň, Historiker

Pavel Grombíř, Unternehmer

Jana Jágrová, Redaktionsekretärin

Vladimír Just, Historiker und Publizist

Bedřich Karel, Publizist

PhDr. Antonín Klimek, Historiker

Ing. Stanislav Kněnický, Ferhsehnreporteur

Jan Kreuzer, Unternehmer und Publizist

Milan Kubes, Journalist

Doc. dr. Rudolf Kučera, Politologe

Jitka Matoušková, Mitglied der Gemeindevertretung

Sergej Machonin, Theaterkritiker

Václav Malý, katolischer Priester

Emanuel Mandler, Historiker und Politologe

Doc. dr. Václav Mezřický, Hochschullehrer

Stanislav Milota, Kameramann

Josef Mlejnek d.Ä., Redakteur und Essayist

Josef Mlejnek d.J., Publizist

Katrin Moravcová, Studentin

Michal Musil, Student der Historie und Publizist

Jiří Němec, Psychologe

Dana Němcová, Psychologe

Jan Nedvěd, Programmierer

Milan Otáhal, Historiker

Anastáz Opasek, Erzabt des Benediktinerklosters Břevnov

Zbyněk Petráček, Journalist

Alena Petruželková, Bibliothekar

JUDr. Petr Pithart, Jurist

Petr Placák, Publizist

Ing. Vojtěch Průša, Unternehmer

MUDr. Petr Příhoda, Hochschullehrer und Publizist

Jan Sokol, Philosophe

Andrej Stankovič, Bibliothekar und Publizist

Vladimír Struska, Rentner, ehemaliger politischer Gefangene

Pavel Šafr, Publizist und Manager

Michael Špirit, Liuteraturkritiker und Historiker

Petruška Šustrová, Publizist

Marian Švejda, Regisseur

Pavel Teichmann, Systemingenieur

Jan Vevera, Studierender

David Vondráček, Drehbuchautor

Martin Zvěřina, Redakteur

PhDr. Karel Žaloudek, Soziologe

Unterschriften (BRD):

Dr. Peter Becher, Geschäftsführer des Asalbert Stifter Vereins, München

Oskar Böse, Bundskuluturreferent der SdL, Mettmann

Leopold Chalupa, General a. D. (ehem. Befehlshaber NATO-Mitte), Aachen

Wolfgang Egerter, Staatssekretär a. D., Bundesvorsitzender des Sudetendeutschen Sozialwerk, Stuttgart

Gernot Facius, Journalist, Die Welt, Bonn

Rudolf Friedrich, MdL Hessen, Frankfurt

Volkmar Gabert, Vorsitzender der Seliger-Gemeinde, München

Dr. Peter Glotz, MdB, Bundeshaus, Bonn

Rüdiger Goldmann, MdL Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf

Prof. Dr. Rudolf Grulich, Wissenschaftlicher Direktor des Institutes für Kirchengeschichte Böhmen, Mähren und Schlesien, Königstein

Josef Grünbeck, MdB, Höchstadt

Dr. jur. Herbert Haischmann, RA und Notar, Vorsitzender des Beirats der Stiftung Bohemia, Dreieichenhain

Prof. Dr. h. c. Otto Herbert Hajek, Vorsitzender des Adalbert Stifter Vereins, Stuttgart

Prof. Dr. Johannes Hampel, Universität Augsburg

Helmut Harbich, MdL Nordrhein-Westfalen, Mönchen-Gladbach

Prof. Dr. Kurt Heißig, München

Gudrun Heißig, Dolmetscherin, München

Dr. Rudolf Hilf, Präsidiumsmitglied, Interregio, München

Peter Hucker, Dipl. Volkswirt, Bielefeld

Prof. Dr. Egon Jüttner, MdB, Mannheim

Dr. Alfred Kirpal, stellvertretender Lanedsobmann der SdL Thüringen

Dr. Egon Klepsch, ehemaliger Präsident des Europäischen Parlaments, Karlspreisträger der SL

Hans Knapek, Dipl. Kfm., Baden-Baden

Rüdiger Kollar, Dresden

Dr. Otfried Kozian, Geschäftsführer des Bukowina-Instituts, Augsburg

Dr. Horst Kühnel, München

Franz Peter Künzel, Chefredakteur der Kulturzeitschrift Sudetenland, München

Sigrid Leneis, Landweskulturreferentin der SdL Bayern, Altdorf

Michael Prinz zu Löwenstein, Rechtsanwalt, Vorsitzender des Kuratoriums Rudolf-Lodgman-Stiftung, Frankfurt

Dr. Johannes Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Kuratoriums der Rudolf Lodgman Stiftung, Habitzheim

Dr. Horst Mahr, Vizepräsident der Baden-Würtenbergischen Bank AG, Grünwald

Dieter Max, Vorsitzender der Heimatlandschaft Egerland, Unterschleißheim-Lohhof

Hans Novotny, Vorstandsvorsitzender der Hermann Gutmann-Stiftung, Nürnberg

Franz Olbert, Generalsekretär der Ackermann Gemeinde, München

Gerhard Pieschl, Weihbischof, Beauftragter der5 deutschen Bischofskonferenz für Flüchtlinge und Vertriebene

Walter Pilz, Dipl. phys., Wolfratshausen

Horst Pobel, Landesobmann der SdL Berlin

Prof. Dr. Friedrich Prinz, Universität München, Deisenhofen

Erich Sandner, Seliger-Gemeinde Bayern, geschäftsführender Präsident des Sudetendeutschen Rates, München

Christine Schmidt, Stadträtin Regensburg, stellvertretende Vorsitzende des Landesverbandes der SdL Bayern

Prof. Dr. h. c. Josef Stingl, ehem. Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Rheinbrohl

Reinfried Vogler, Rechtsanwalt, Frankfurt

Gustav Wabro, Staatssekretär Baden-Württemberg, Aalen

Herbert Werner, Bundesvorsitzender der Ackermann-Gemeinde

Dr. Johannes Zeschick, Abt; OSB; Benediktinerabtei Rohr