Klaus Premier, Zeman Präsident

Die aktuellen Umfragen machen eines deutlich. Nach den Wahlen wird es nur einige wenige realistische Kombinationen geben.

Eine Möglichkeit scheidet wohl aus: Eine Koalition mit den Kommunisten oder eine von ihnen tolerierte Minderheitsregierung. Allerdings könnte diese Eventualität schon bei den nächsten Wahlen in den Bereich des Möglichen rücken.

Ebenfalls wenig wahrscheinlich ist eine Koalition aus Bürgerlichen Demokraten (ODS), Christdemokraten (KDU-ČSL) und Freiheitsunion (US). Allzu tief sitzt das Misstrauen. Standen die Politiker von KDU-ČSL und US doch hinter dem Sturz von ODS-Chef Klaus vor fünf Jahren. Die Ablehnung wiegt - wohl auch zu Recht - schwerer als programmatische Nähe.

Bleiben also nur noch drei Möglichkeiten. Eine ist die Koalition zwischen Sozialdemokraten (ČSSD), Christdemokraten (KDU-ČSL) und Freiheitsunion (US). Eine Chance hat diese Variante nur dann, wenn alle drei Parteien gut abschneiden und wenn bei den Sozialdemokraten der Einfluss des einstigen Vorsitzenden Miloš Zeman eingedämmt werden kann. Wenngleich diese Variante nicht zu den wahrscheinlichsten gehört, kann sie nicht ausgeschlossen werden. Eine derartige Regierung würde die Geschäfte ohne Probleme meistern. Die innere Spannung, resultierend aus der Verschiedenheit der Partner, liesse eine ernsthafte Bedrohung der bürgerlichen Freiheiten, insbesondere der Freiheit des Wortes, nicht zu. Wenngleich alle politischen Parteien in Tschechien insgeheim von dem unmoralischen Wunsch beseelt sind, die Medien zu beherrschen. Gegenüber den Nachbarn würde eine solche Regierung eine gemüssigte nationalistische Politik verfolgen, dem Beitritt zur Europäischen Union würde sie sich nicht in den Weg stellen.

Die Koalition einer dominanten Sozialdemokratie mit einer schwächeren ODS kommt dann in Frage, wenn die ČSSD die Wahlen gewinnt und die beiden Parteien der Koalition - also Christdemokraten und Freiheitsunion - zu schwach für ein stabiles Bündnis sind. Die Sozialdemokraten würden wohl an ihrer bisherigen Aussenpolitik festhalten: EU-Beitritt, Kooperation in der Visegrad-Gruppe. Wenngleich Komplikationen nicht auszuschlieµen sind. Denn die ODS ist eine programmatisch populistische und chauvinistische Partei. Bei den Sozialdemokraten sind Chauvinismus und Populismus eher unbewusst angesiedelt und haben etwas mit der geringen politischen Kultur ihrer Politiker zu tun. Auf die Medien würden beide gern Einfluss nehmen, diesen werden sie sich teilen. Das ist keine gute Aussicht. Die Aktionsfähigkeit beider Parteien bei der Ausführung von weniger schönen Dingen wäre etwas gehemmt durch die inneren Spannungen in der dominierenden Sozialdemokratie.

Die wohl momentan wahrscheinlichste Variante nach den Wahlen ist die Koalition aus einer dominanten ODS und einer schwächeren Sozialdemokratie. Die Bürgerlichen Demokraten besetzen die für die nationale Sicherheit wichtigen Ressorts. In der Sozialdemokratie nimmt der Einfluss von Miloš Zeman und seiner Leute wieder zu. Nicht ausgeschlossen ist dann, dass Zeman Anfang 2003 der Nachfolger von Václav Havel auf der Prager Burg wird. Die Aussenpolitik einer solchen Regierung wird sich an den USA orientieren, wahrscheinlich auch an Russland. Gegenüber den Nachbarn und der EU kommen Arroganz und Hochmut zum Tragen. Beide Parteien werden die Medien beherrschen wollen. In Fernsehen und Rundfunk wird ihnen das wohl auch gelingen, selbst einige der grossen Tageszeitungen werden sich gegen den Einfluss nicht mehr wehren können.

Prager Zeitung 2.6. 2002